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Die Reise zum Ursprung
Lebensraum
Lege deine Hand auf dein Herz und fühle, wie es schlägt. Folge dem Rhythmus des Lebens. Alles Leben auf der Welt und an diesem Ort nimmt seinen Anfang mit der Entstehung des Universums vor 15 Milliarden Jahren. Zu Beginn existiert nichts außer große, heiße Wirbel aus Gas und tanzenden Partikeln. Mit der Zeit formt sich unsere Galaxie, dann unsere Sonne und dann, vor viereinhalb Milliarden Jahren, unsere Erde. Die Erde ist Fels und Kristall, unter denen riesige Feuer brennen. Im Laufe der Äonen kühlt sie ab, bis das Wasser nicht mehr zu Dampf wird. Es beginnt zu regnen und die Ozeane entstehen.
In diesen warmen Meeren entwickelt sich organisches Leben. Ganz am Anfang stehen Einzeller – kleine, einfache Wesen, treibend inmitten des Ozeans. Die Strömungen der warmen See, aufgewirbelt durch die Winde, tragen sie hierhin und dorthin. Manche Lebewesen lernen, die Energie der Sonne direkt zu nutzen, und sie werden Pflanzen. Andere beziehen ihre Energie daraus, andere kleine Zellenwesen zu essen – es sind die ersten einzelligen Tiere. Auf der Suche nach Nahrung gelangen sie in das Innere anderer Einzeller und verschmelzen miteinander. Eine neue Art von Lebewesen entsteht. Nun gibt es individuelle Lebewesen, von denen jedes nur ein einziges Mal in exakt dieser Form existiert. Sie pflanzen sich fort, sie sterben, andere entstehen, leben und pflanzen sich fort … Sie schließen sich zu größeren Verbänden zusammen, werden Schwämme und Quallen. Auch heute leben manche Tiere noch auf diese uralte Weise.
Im Wasser entwickelten sich schlanke, silbrige Geschöpfe, wenige Zentimeter lang. Mit ihren Flossen können sie hervorragend schwimmen, während das Wasser durch ihre Kiemen strömt. Ungeheure Zeiträume verstreichen. Langsam verwandeln sich die Kiemen in Lungen. Die Tiere beginnen, die reichhaltige, raue Luft zu atmen, während ihre Flossen so fest und stark werden, dass sie damit durch den Schlamm der schwindenden Seen robben können. Sie kehren zum Wasser zurück, um zu laichen. Ihre Nachkommen beginnen ihr Leben noch immer dort. Millionen Jahre vergehen, in denen Amphibien zwischen Wasser und Land leben und die Welt um sie herum sich verändert. Sümpfe trocknen aus und Reptilien lernen, das Wasser für ihre Jungen in den Schalen der Eier mitzutragen. Sie können jetzt zur Gänze auf trockenem Land leben. Sie nehmen die Wärme der Sonne während des Tages auf und lassen nachts ihre Herzen langsamer schlagen. Manche unserer Verwandten werden riesig, mit großen Zähnen, und lassen ihren bellenden Ruf über die einstmals stille Erde erschallen. Manche lassen ihre Beine zu Flügeln werden, ihre Schuppen zu Federn, ihre Knochen hohl und leicht, ihre Herzen heiß und schnell. Ihre Nachfahren leben heute als Vögel. Und manche unserer Verwandten leben heute noch als Eidechsen, als Schildkröten, als Krokodile und Schlangen. Auf ihren Bäuchen kriechend bewahren sie die alten Lebensformen.
Aber wir und andere Verwandte beschreiten einen anderen Pfad. Wir lassen uns ein Fell wachsen und bewahren Wärme in unseren Körpern durch die Energie in unserer Nahrung. Wir lassen unsere Kleinen geborgen in unseren Körpern heranwachsen. Unsere Kinder brauchen jetzt mehr Pflege, aber es überleben auch mehr. Unsere Beine werden länger und schneller. Wir frühen Säugetiere sind nachtaktiv, verstecken uns tagsüber vor den Dinosauriern, jagen nachts. Wie hellwach wir sind, wenn wir zwischen den Wurzeln der großen Bäume umherflitzen, auf der Suche nach Nahrung, stets bereit, vor den großen Reißzähnen zu fliehen.
Die Zeit der Dinosaurier geht zu Ende, und wir Säugetiere breiten uns nun über das ganze Land aus. Manche unserer Verwandten kehren zurück ins Wasser und werden Delphine und mächtige Wale. Andere, so wie wir, bleiben an Land und werden Gazellen und Lemuren, Kängurus und Mäuse und große Raubkatzen. Wir nehmen tausende Formen an, versuchen uns an tausend verschiedenen Arten zu leben. Jene Lebensformen, die sich als erfolgreich erwiesen haben, werden an andere Generationen weitergegeben. Überall, rund um uns, finden wir diese Vielfalt des Lebens in den Nachkommen dieser Verwandten.
Wir gehen unsere eigenen Wege. Wir bewegen uns leicht und geschickt auf Händen und Füßen, klettern und springen. In den großen Bäumen laufen wir über die Äste und schwingen uns weiter. Da wir mit beiden Augen nach vorne schauen, können wir die Distanz zwischen den Ästen präzise einschätzen. Unsere starken, beweglichen Daumen erlauben uns, gut zuzugreifen und gut loszulassen. Unsere Finger sind fein und sensibel, sie können die Reife der Frucht erspüren, können einem Freund kraulend den Pelz pflegen. Wir sind neugierig, verspielt, abenteuerlustig. Manche unserer Verwandten leben auch heute noch auf diese Weise.
Es folgt eine weitere Transformation. Wir entwickeln einen Körper, der stärker und schwerer ist. Wir können gut auf zwei Beinen unsere Balance finden, und wir blicken zu ferneren Horizonten. Der Wald weicht langsam einer großen Grassteppe. Wir sind erfinderisch, anpassungsfähig. Wir gehen in Gruppen aus zum Jagen, wir sammeln Pflanzen als Nahrung und Medizin, erhalten das Lager, nähren unsere Kinder. Eine Entdeckung führt zur nächsten, und wir lernen jetzt in großen Sprüngen: Werkzeug, Sprache, Feuer machen, Musik, Kunst, Geschichten erzählen. Wir leben gemeinsam mit unseren vielen, so unterschiedlichen nahen und fernen Verwandten, eingebettet in die Gesamtheit des Lebens, in den Zyklus der Tage und der Jahreszeiten. Unsere Körper nehmen die Form an, die sie noch heute haben. Unsere Veränderung ist von nun an eine der Gedanken, der Künste und der Träume. Tausende von Generationen leben wir als Jäger und Sammler, bis wir sesshaft werden, feste Häuser bauen und die Kräfte der Natur nutzen lernen. Eine vollkommen neue Lebensweise beginnt. Und dennoch: In den Gesichtern deiner Ahnen siehst du immer noch die Züge, die heute du trägst. Und rund um dich ist immer noch das Leben in seinen vielfältigen Formen, die das Universum seit der Entstehung der Welt hervorgebracht hat.
Quelle: Adaptiert nach: Joanna Macy. 2007. Reise zum Ursprung. (Übers. Nicole Lieger). Sustainable Austria 41, S. 9–11.
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